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Die Herzsportgruppe Vreden und das völlig eskalierte Weihnachts-Workout

Es war ein frostiger Dienstagabend in Vreden. Die Turnhalle roch wie immer nach Turnschuhen, Hoffnung und einer Spur Pfeffernuss. Die Herzsportgruppe trudelte ein, jede und jeder in der ganz persönlichen Winterkollektion: von Rentierpulli bis „Ich hab das Shirt seit 2008, und ja, das Logo war mal anders“.

Trainerin Karola stand schon in der Mitte der Halle, lächelnd, mit dem Ausdruck „Ich habe etwas vor, und ihr werdet alles bereuen, aber auf freundliche Art“. Neben ihr stand ein… Gegenstand.

Es war eine Art Schlitten. Oder besser: ein Rollbrett aus dem Schulsport, auf das jemand einen Pappkarton getaped hatte. Vorne klebte eine aufgemalte Rentiernase. Jemand hatte zwei Knöpfe als Augen aufgeklebt, die aber in komplett unterschiedliche Richtungen zeigten. Es sah aus wie ein Rentier, das seit drei Tagen keinen Schlaf mehr bekommen hatte.

Karola klatschte in die Hände. „Willkommen zur 1. Vredener WEIHNACHTS-SCHLITTEN-EXTREM-STAFFEL!“

Eine Sekunde Stille.

Dann sagte Bernd: „Ich habe ein Bandscheiben-Abo, das sagt nein.“

Aber Pech, denn die Gruppe war schon motiviert. Motiviert im Sinne von: „Wir wollen die Plätzchen hinterher wirklich verdienen.“

Die Teams bildeten sich:
Team „Die Turbo-Tannenzapfen“ gegen Team „Wir Machen’s Ruhig“.

Die Turbo-Tannenzapfen waren sofort in Wettkampfmodus. Sie machten sogar Dehnübungen. Einer trug Stirnband. Es gab Anfeuerungsrufe, die sich verdächtig nach Fußball anhörten.

Team „Wir Machen’s Ruhig“ setzte sich erstmal auf die Bank, reichte sich Tee und sagte: „Wir beobachten die Lage.
Karola erklärte: „Ihr schiebt den Schlitten vorwärts, holt ein Geschenk ab, und bringt es zurück. Aber! Ihr dürft nur in Weihnachtsschritten laufen!“

„Was sind Weihnachtsschritte?“ fragte Anna.

Karola lächelte so sanft wie ein Engel, der Geheimnisse hat.

„Tippeln. Immer schön fröhlich. Und bei jeder dritten Bewegung müsst ihr ‚Ho ho ho‘ sagen.“

Die Turbo-Tannenzapfen gingen sofort los und sahen dabei aus wie eine weihnachtliche Mischung aus Pinguinparade und Zumba-Kurs. „Ho-ho-ho! Ho-ho-ho!“ schallte es durch die Halle, allerdings in einem Tonfall, der vermuten ließ, dass der Sauerstoff langsam knapp wurde.

Team Wir Machen’s Ruhig tippelte so langsam, dass man dachte, der Boden wäre Mousse au Chocolat. Null Stress. Null Schweiß. Reiner Flow. Und manchmal flüsterte jemand ein sehr entspanntes „ho ho ho“, wie ein Weihnachtsnikotinwerbespot.

Die Geschenke mussten sicher transportiert werden. Aber es waren keine normalen Geschenke. Karola hatte sie gepolstert mit… was auch immer in ihrer Bastelkiste war. Bei manchen machte es Glitzergeräusche. Bei manchen Verdächtige-Knister-Geräusche. Eines bimmelte plötzlich, ohne dass es jemand berührte. Man war sich nicht sicher, ob das Geschenk eventuell besessen war, aber niemand wollte es ansprechen.

In Runde 3 passierte es: Die Turbo-Tannenzapfen beschlossen, den Schlitten schneller zu schieben. Also wirklich schneller. Also… zu schnell für die Gesetze der Physik in einer Turnhalle.

Der Schlitten kam ins Rutschen. Dann ins Wackeln. Dann in die Phase, die Karola später nur „die Zentrifuge“ nennen würde.

Glitzer explodierte.

GLITZER. ÜBERALL.

An den Wänden. Auf dem Boden. In den Haaren. In den Ohren. Sogar der Erste-Hilfe-Kasten glitzerte. Es war wunderschön und absolut nicht genehmigt.

Team Wir Machen’s Ruhig stoppte den Schlitten seelenruhig mit einem einzigen sanften, fast poetischen Fuß. Als hätte jemand in einem Film Slow-Motion eingeschaltet.

Dann klatschte die ganze Gruppe, weil Herzsport = alles wird beklatscht, egal was passiert.

Am Ende erklärte Karola: „Wir haben keine Sieger. Wir haben nur sehr glitzernde Menschen. Und das ist weihnachtlich genug.“

Dann gab es Plätzchen. Und Kakao. Und die Erkenntnis, dass die Turnhalle vermutlich bis Ostern glitzern würde. Vielleicht länger. Vielleicht für immer. Vielleicht wird Vreden in Zukunft einfach dafür berühmt.